Verwaltungsgericht Potsdam Beschluss vom 07.07.2006 Geschäftszeichen 4 L 337/06
Selbstständige Fischereirechte sind im Rahmen erheblicher Nachteile im Baugenehmigungsverfahren zur Errichtung von Steganlagen zu berücksichtigen
Drei von uns vertretene Berufsfischer, die jeweils Inhaber selbständiger Fischereirechte sind, haben wahrgenommen, dass vor einem ehemaligen Werftgelände entlang der Havel bauliche Aktivitäten zur Errichtung einer größeren Steganlage bzw. Marina begonnen hatten. Ermittlungen hatten ergeben, dass für diese bauliche Aktivitäten keine Baugenehmigung erteilt war, sich der Vorgang allerdings im Baugenehmigungsverfahren befand.
Die baulichen Aktivitäten zur Errichtung dieser Marina waren dergestalt, dass eine umfangreiche mehrgliedrige Steganlage errichtet wurde mit weit in die Fluss- bzw. Gewässermitte reichenden einzelnen Stegauslegern. Die Stegausleger wurden selbst in den Bereich einer see- oder buchtartigen Erweiterung der Havel vorgestreckt, in dem Tiefen bis zu 10 m und mehr erreicht werden und wobei dieser Bereich den Fischen als gesetzlich geschütztes Winterlager dient.
Noch bevor die notwendigen Maßnahmen gegen das illegale Vorhaben begonnen werden konnten, hatte die Baugenehmigungsbehörde der betroffenen Stadt die Baugenehmigung für die Errichtung dieser wasserbaulichen Anlage erteilt und hatte dabei aus ihrer Sicht abgewogen, dass mit der Errichtung der Steganlage Eingriffe in selbstständige Fischereirechte nicht gegeben wären. Insbesondere sei auch das Winterlager nicht betroffen, da es sich um eine Schwimmsteganlage handeln würde und damit eine Störung der Fische in der Tiefe des Gewässers nicht zu befürchten sei.
Nach Kenntnisnahme von der Baugenehmigung legten die betroffenen Fischer hiergegen Widerspruch ein und beantragten beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die dem Bauherren erteilte Baugenehmigung anzuordnen.
In ihrer Argumentation bezogen sich die Fischer zum einen auf die für sie bestehenden selbstständigen Fischereirechte als das Gewässergrundstück sozusagen dinglich belastende absolute Rechte und die Fischer machten deutlich, dass mit Errichtung der Marina einschließlich der Steganlagen ein erheblicher Teil der bislang befischten Gewässerfläche entzogen wird. Dabei konnten die Fischer belegen, das in dem betroffenen Bereich das sogenannte Große Garn gezogen wird, insbesondere unter Ausnutzung gerade der tieferen Gewässerbereiche. Darüber hinaus wurde der betroffene Bereich nachweislich mit Stellnetzen und Reusen befischt.
Die Fischer machten dabei auch einen planungsrechtlichen Ansatz deutlich und verwiesen zudem auf die Problematik des gesetzlich besonders geschützten Winterlagers. Im Kern ihrer Argumentation bezogen sich die Fischer allerdings auf § 87 Abs.3 Satz 1 BbgWG wonach eine Genehmigung für derartige wasserbauliche Maßnahmen nur erteilt werden darf, wenn von dem beabsichtigten Unternehmen unter anderem erhebliche Nachteile für Rechte oder Befugnisse anderer nicht zu erwarten sind.
Das Verwaltungsgericht nahm Gelegenheit, in einem Ortstermin die konkrete Betroffenheit der Fischer zu prüfen und sich von den örtlichen Gegebenheiten ein Bild zu machen.
Infolgedessen gelangte das Verwaltungsgericht zu der Entscheidung mit Beschluss vom 07.07.2006, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung anzuordnen, sodass die weitere Errichtung der Steganlage unterbunden wird.
In der Entscheidung führte das Verwaltungsgericht aus, dass den Fischern als Antragsteller im Verfahren als Inhaber selbstständiger Fischereirechte ein wehrfähiger Abwehranspruch gegen das Vorhaben des beigeladenen Bauherren zur Seite steht, welcher voraussichtlich zur Rechtswidrigkeit der für die Erteilung von Schwimmstegen und eines Winterlagers für Boote ausgereichten Baugenehmigung führen wird.
Zudem sei nach der Rechtsprechung der Brandenburgischen Verwaltungsgerichte anerkannt, dass § 87 Abs.3 Satz 1 BbgWG jedenfalls für die Inhaber selbstständiger Fischereirechte Drittschutz vermittelt. Unabhängig von der Frage, ob das konkrete Vorhaben des Bauherren allein nach wasserrechtlichen Vorschriften oder aber in einem komplexen Baugenehmigungsverfahren zu prüfen ist, bedarf es der Anwendung der drittschützenden Norm nach § 87 Abs. 3 Satz 1 BbgWG. Denn die Konzentration allein auf das Baugenehmigungsverfahren hat zur Folge, dass die für die wasserrechtliche Genehmigung vorgesehenen Versagungsgründe unmittelbar im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
So hatte das Verwaltungsgericht keinen Zweifel, dass die Antragsteller von alters her Inhaber selbstständiger Fischereirechte sind und das Gericht konnte sich davon überzeugen, dass der Fischerei in dem betroffenen Bereich auch tatsächlich nachgegangen wurde.
Zudem konnten die Fischer gutachterlich belegen, dass durch die in Errichtung befindliche Steganlage des Vorhabens ca. 13.000 m² Wasserfläche in Anspruch genommen werden, was etwa insgesamt in etwa der Fläche entspricht, welche insgesamt durch alle anderen wasserbaulichen Anlagen und Steganlagen im Bereich des sogenannten Plauer Fischereigebietes erreicht wird.
Dieser Ansatzpunkt war für das Verwaltungsgericht bedeutsam für die Frage der Auslegung des Begriffes der erheblichen Nachteile nach dem Brandenburgischen Wasserrecht i.S.v. § 87 Abs.3 Satz 1 BbgWG. Wann die Erheblichkeitsschwelle eines Nachteiles - ein solcher ist aus Sicht der Kammer mit Blick auf die hier in Streit stehende Schwimmsteganlage in Bezug auf die selbstständigen Fischereirechte der Antragsteller ... ohne jeden Zweifel zu bejahen - überschritten ist, lässt sich dagegen nicht allgemeingültig und mit Geltungsanspruch für eine jede Fallgestaltung sagen. Denn erheblich sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauch solche Nachteile oder Beeinträchtigung, die ins Gewicht fallen oder beträchtlich sind. Die Kammer neigt zur Ausfüllung des Begriffes Erheblichkeit dazu, die für diesen Begriff im Immissionsschutzrecht entwickelten Grundsätze, wenngleich unter Berücksichtigung der verschiedenen Schutzziele des Bundesimmissionsschutzgesetzes einerseits und des Brandenburgischen Wasserrechts andererseits, fruchtbar zu machen. Im Immissionsschutzrecht wird die Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle von Nachteilen und Beeinträchtigungen an deren Zumutbarkeit, also an einer Güterabwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen ausgerichtet. Ob die Umwelteinwirkungen die Erheblichkeitsschwelle überschritten und damit für Dritte unzumutbar sind, ist dabei aus der Sicht des Betroffenen zu beurteilen, wobei insoweit nicht das Empfinden des individuell Betroffenen, sondern das des verständigen Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage maßgeblich ist. Nichts anderes gilt aus Sicht der Kammer im Brandenburgischen Wasserrecht, wenn es um den in § 87 Abs.3 Satz 1 BbgWG angelegten Interessenausgleich der Nutzung eines oberirdischen Gewässers durch die Errichtung von Anlagen in und an Gewässern einerseits und die nicht nur einfach gesetzlich, sondern auch verfassungsrechtlich in Art. 14 Abs.1 Satz 1 GG geschützten Fischereirechte von Fischereiausübungsberechtigten geht.
Die vom Verwaltungsgericht hier angestellte Güterabwägung fällt im Ergebnis zugunsten der Antragsteller aus.
Das Gericht verkannte dabei nicht, dass im Rahmen der Güterabwägung auch die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte des Bauherren i.S.d. Berufsausübungsrechtes und der Baufreiheit zu berücksichtigen sind. Der Interessenkonflikt verpflichtet aber den Bauherren, noch intensiver in Überlegungen dahin einzutreten, in welcher Art und Weise sein Vorhaben auf ein Maß reduziert werden kann, welches dem Ausgleich der widerstreitenden Interessen eher gerecht wird. Damit sprach das Gericht die geplante Größe und die Ausdehnung der Steganlage an, weil dem Gericht nicht einsehbar war, weshalb eine deutlich kleinere Bootssteganlage nicht ebenfalls wirtschaftlich zu betreiben sei. Dabei sollte künftig eine Form der Steganlage gefunden werden, welche das besonders geschützte Winterlager für Fische und damit die Erwerbsgrundlage der Antragsteller/Fischer weitgehend unberührt lässt.
Das Gericht führte weiter aus, dass die Bauarbeiten zur Errichtung der Schwimmsteganlage vorerst einzustellen sind.
Damit ist erstmalig im Land Brandenburg eine für Berufsfischer in diesem Sinne positive Entscheidung eines Verwaltungsgerichts ergangen, was seine Wirkung in der Beachtung der Rechte der Fischer in künftigen Verwaltungsverfahren nicht verfehlen wird.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist allerdings noch nicht rechtskräftig.