Amtsgericht Brandenburg an der Havel Urteil vom 23.06.2005 Geschäftszeichen 35 C 176/04
Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall unter Einwirkung von Alkohol
Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hatte sich mit dem Fall des von hier vertretenen Klägers zu befassen, welcher Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall verlangte. Der Sohn des Klägers war mit dem Fahrzeug des Klägers in Brandenburg an der Havel auf einer Hauptstraße unterwegs und näherte sich einem späteren Kreuzungsbereich. Noch vor diesem Kreuzungsbereich kam der Beklagte in diesem Verfahren mit seinem Pkw seitlich von einem Baumarktgelände heruntergefahren, um dann unter Missachtung des Vorfahrtsrechtes des Fahrers des klägerischen Fahrzeuges vor diesem vorbeifahren zu wollen, um dann seine Fahrt in entgegengerichteter Richtung zum klägerischen Fahrzeug fortzusetzen. Da das Beklagtenfahrzeug direkt vor das klägerische Fahrzeug vorgefahren ist und das Vorfahrtsrecht missachtete, konnte der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges die Kollision nicht vermeiden und in der Folge kam es zum Unfall mit erheblichem Sachschaden.
Während der polizeilichen Unfallaufnahme, wobei die Polizei durch den Fahrer des klägerischen Fahrzeuges zum Unfallort gerufen wurde, stellten die Polizeibeamten in der Atemluft des Fahrers des klägerischen Fahrzeuges Alkoholgeruch fest und die nachfolgenden Ermittlungen ergaben, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges zum Zeitpunkt des Unfalls eine Blutalkoholkonzentration von 1,34 Promille hatte.
Die Haftpflichtversicherung zum Beklagtenfahrzeug lehnte daher eine Schadensregulierung ab, da aus dortiger Sicht der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges den Unfall verursacht hatte.
Der Kläger war in dem Verfahren vor dem Amtsgericht der Ansicht, dass in erster Linie der Vorfahrtsverstoß des Beklagten unfallursächlich war und daher die Beklagtenseite in Anspruch zu nehmen sei. Auf die Alkoholisierung eines Verkehrsteilnehmers kann es überhaupt nur dann ankommen, wenn die Alkoholisierung mit ursächlich für ein bestimmtes Verhalten im Straßenverkehr war. Wenn wie hier der Verkehrsunfall auch dann zustande gekommen wäre, wenn der Beklagte einem nüchternem Fahrer die Vorfahrt genommen hätte, kann es ersichtlich nicht auf die alkoholische Beeinflussung ankommen.
Dieser zutreffenden Auffassung folgte das Amtsgericht und verurteilte die Beklagtenseite (Fahrer, Halter und Versicherung) als Gesamtschuldner, den unfallbedingten Schaden des Unfalls zu tragen.
Dabei führte das Amtsgericht folgendes unter anderem aus:
"Der Beklagte ... haftet auch in vollem Umfang. Nach § 17 Abs. 2 StVG wird der Haftungsumfang der Unfallbeteiligten nach dem Grad ihres Verursachungsbeitrags bestimmt. Diese Vorschrift gilt nach § 18 Abs.3 StVG auch für den Fahrer. Maßgeblich ist die Betriebsgefahr der am Unfall beteiligten Fahrzeuge. Diese kann durch ein Verschulden eines am Unfall Beteiligten erhöht werden. Dabei dürften nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben ... Die Betriebsgefahr begründet grundsätzlich auch dann eine Haftung, wenn die Verursachung des Unfalls allein durch ein Verschulden des anderen Verkehrsteilnehmers erfolgte. Das gilt nicht, wenn einem Unfallbeteiligten ein grobes Mitverschulden trifft, was insbesondere bei einem Verstoß gegen grundlegende Verkehrsvorschriften angenommen wird. Absolute Fahruntüchtigkeit eines am Unfall beteiligten Kfz-Führers infolge Alkoholgenusses darf bei der Abwägung nur berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass sie sich in dem Unfall niedergeschlagen hat ... Eine Mitverantwortung aufgrund einer erhöhten Betriebsgefahr ist nicht gegeben. Zwar hatte der Zeuge ... eine Blutalkoholkonzentration von 1,34 Promille. Die Zeugin ... gibt jedoch an, sie habe am Zeugen ... keinerlei Ausfallerscheinungen bemerkt. Die vom Arzt des Klinikums Brandenburg vorgenommene Untersuchung nach dem Unfall ergab, dass der Zeuge ... keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigte, vielmehr einen nur leicht alkoholisierten Eindruck machte."
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Kommt es im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Ein- und Ausfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Ein- bzw. Ausfahrenden. Die Betriebsgefahr des sich im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeuges tritt regelmäßig zurück.
Die Beklagtenseite beabsichtigte hiergegen Berufung zum Landgericht zu führen, wobei das Landgericht beabsichtigte, die offensichtlich erfolglose Berufung im Beschlusswege zu verwerfen und die insoweit angekündigte Absicht des Landgerichts führte dann zur Berufungsrücknahme. Das amtsgerichtliche Urteil ist damit rechtskräftig.